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Konflikte und Eskalation

Meinungsverschiedenheiten allein sind noch keine Konflikte. Wesentlich für einen Konflikt ist, dass sich mindestens ein Betroffener in seiner Freiheit zu handeln, zu denken oder zu entscheiden eingeschränkt fühlt. Das ist die Saat für weitere Eskalation.

Konflikte sind alltäglich. Daher hat jeder Mensch bevorzugte Strategien, um mit ihnen umzugehen:

  • Es einfach gut sein lassen, wenn das Thema nicht wichtig genug ist.
  • Kompromisse schließen.
  • Streit aus dem Weg gehen durch Herstellung von Distanz.
  • Verleugnen der Konflikte, sofern das möglich ist.
  • Die Entscheidung einem Dritten (Eltern, Schiedsrichter, Richter) überlassen.
Konflikte sind alltäglich. Wichtig ist die Fähigkeit, damit konstruktiv umzugehen | Dr. Jürgen Kattner – Krems

Nähe macht Stress

Doch manchmal, so scheint es, gibt es keine Lösung. Zu weit sind die Positionen auseinander, zu nah sind sich die Konfliktparteien, um sich wenigstens aus dem Weg gehen zu können.

Räumliche Nähe

Nachbarn, die um Grundstücksgrenzen, Bäume, Hecken, Lärm, Müll oder den Parkplatz streiten. Nachbarn, die einander letztlich ausgeliefert sind, denn man kann sein Grundstück nicht einfach einpacken und mitnehmen.

Wirtschaftliche Nähe

  • Geschäftspartner mit gegenseitigen Abhängigkeiten
  • Streitigkeiten zwischen Auftraggebern und -nehmern
  • Gütertrennung bei Scheidungen
  • Erbschaften, die ganze Familien zerrütten
  • schwierig verlaufende Betriebsübergaben

Zwischenmenschliche Nähe

  • Familien mit ihren unzähligen Streitthemen
  • Sorgerechtsthemen
  • Generationskonflikte
  • Streit am Arbeitsplatz unter Kollegen

Konfliktverschärfendes Verhalten

Zur gütlichen Regelung von Auseinandersetzungen braucht es konstruktive Gespräche, in denen jede Seite darlegen kann, worum es ihr in Wirklichkeit geht.

Menschen in scheinbar unlösbaren Konflikten machen intuitiv jene Dinge, die für eine Lösungsfindung ungünstig sind. Konstruktive Gespräche werden durch folgende weit verbreitete Irrtümer über Kommunikation und Konfliktregelung stark erschwert:

Einer hat Recht: Ich darf kein Verständnis für die andere Seite zeigen – damit stimme ich den Forderungen des anderen ja zu. Die Praxis zeigt: Jeder hat immer in seiner Sichtweise recht.

Druck hilft: Ich muss Druck aufbauen, damit die andere Seite nachgibt. Die Praxis zeigt: Druck verschärft Konflikte und verhindert oft Lösungen.

Denken in Gegensätzen: Gut oder Böse. Schwarz oder Weiß. Richtig oder Falsch. Du oder Ich. A oder B. Gewinner oder Verlierer. Die Praxis zeigt: Gute Lösungen sind (meistens) irgendwo in der Mitte. Oder vielleicht ganz wo anders.

Argumente zählen: Ich muss einfach mehr und bessere Argumente als der andere haben. Die Praxis zeigt: Argumente helfen wenig, wenn gleichzeitig kein gegenseitiges Verständnis da ist. Die Antwort ist dann oftmals: „Ja natürlich trifft das zu, aber …“

Öffentlichkeit hilft: Ich brauche weitere Personen in meinem Umfeld, die die Richtigkeit meiner Position unterstützen. Die Praxis zeigt: Je weniger Öffentlichkeit, umso besser sind die Chancen auf eine Lösung.

Mechanismen der Konflikteskalation

Wo es keine Lösung gibt und auch keine ausreichende Distanz hergestellt werden kann, neigen Konflikte zum Eskalieren. Ein Wort gibt das andere, jede Aktion erzeugt eine Gegenreaktion und ein Ausstieg wird immer schwerer, weil die Fronten immer mehr verhärteten.

Durch Aufbau von Druck wird versucht, die andere Konfliktpartei doch noch zum Nachgeben zu zwingen. Doch das führt in der Regel nur zu einer weiteren Verschärfung, weil das Gegenüber sich gezwungen sieht, seinerseits zu reagieren. Oftmals durchläuft die Eskalation von Konflikten eine Abfolge von Eskalationsstufen.

Es geht um die Sache

  • Stufe 1: Meinungsverschiedenheit mit Konfliktcharakter.
  • Stufe 2: Intensive Versuche mit Argumenten zu überzeugen.
  • Stufe 3: Druck erzeugen durch Gesprächsabbruch und Handlungen statt Worten (Schaffen von Tatsachen).

Es geht um’s Gewinnen

  • Stufe 4: Verbündete für die eigene Sache suchen und Gegner denunzieren. Wer nicht für mich ist, ist gegen mich.
  • Stufe 5: Öffentlichen Gesichtsverlust beim Gegner herbeiführen.
  • Stufe 6: Druck erzeugen durch Drohungen.

Es geht nur mehr um’s Schaden

  • Stufe 7: Vorsätzliche Schädigung des Gegners, begrenzter eigener Schaden wird toleriert.
  • Stufe 8: Vorsätzliche Schädigung des unterstützenden Umfelds des Gegners.
  • Stufe 9: Vernichtung des Gegners ohne Rücksicht auf eigene Verluste.

Regelungen von eskalierten Konflikten

Entscheidung durch Dritte

Wenn alle eigenen Bemühungen, einen Konflikt zu lösen, scheitern, ist die Versuchung groß, jemand anderen entscheiden zu lassen. Ein Machtwort soll gesprochen werden. Üblicherweise erfolgt das durch einen frei gewählten oder bestellten Schiedsrichter, durch Vorgesetzte oder vor Gericht.

Solche Schiedssprüche haben jedoch meist den bitteren Beigeschmack von Sieg und Niederlage. In der Praxis zeigt sich, dass Konfliktlösungen, die einen Sieger und einen Verlierer zurücklassen, oft nicht nachhaltig sind. Die Lunte glimmt weiter, der Konflikt flackert an anderer Stelle wieder auf.

Kooperative Konfliktregelung

Besser ist es Lösungen anzustreben, die auf einer wechselseitigen Übereinkunft beruhen, in der die Bedürfnisse aller Beteiligten so weit wie möglich berücksichtigt sind. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass die Konfliktparteien miteinander reden und vor allem einander zuhören können. Und genau das ist oft so schwierig, besonders, wenn der Konflikt eine lange Geschichte hat oder die Positionen stark verfestigt sind.

Wo die Konfliktparteien alleine nicht weiterkommen, benötigen sie Unterstützung durch einen Dritten, der neutral und allparteilich durch die Verhandlungen führt. Diese Aufgabe übernimmt der Mediator und der Verhandlungsprozess heißt dann Mediation.